OUYA – eine gute Crowdfunding-Idee mit schlechter Umsetzung
Im ersten Beitrag unserer Review-Serie möchte ich euch gerne ein älteres aber trotzdem sehr interessantes und populäres Crowdfunding-Projekt vorstellen. Das Projekt von dem ich spreche, hat vor etwa 10 Jahren für unglaublich viel Aufsehen gesorgt und dazu beigetragen, dass Kickstarter und Co. diese Bekanntheit erreicht haben. Gleichzeitig ist es aber auch ein Symbol für schlechtes Management und leere Versprechungen sowie ein Beispiel dafür, wie man erfolgreiches Crowdfunding in den Sand setzt. Die Rede ist vom sogenannten OUYA Crowdfunding-Projekt auf Kickstarter.
Das OUYA Kickstarter-Projekt ist für mich bis heute ein Negativbeispiel, wie Crowdfunding-Projekte nicht ablaufen sollten. Es hat im Jahre 2012 wie kein anderes Crowdfunding-Projekt für Aufsehen gesorgt und gezeigt, wie unbedarfte Backer mit wenig informationstechnischen Know-how leicht in die Falle tappen können. Bevor ich darauf weiter eingehe, möchte ich euch aber zunächst ein paar wichtige Fakten mit auf den Weg geben.
Was ist eigentlich OUYA? OUYA ist der Name und das Konzept für eine Miniatur-Videospielkonsole, welche mit dem Open-Source Betriebssystem Android betrieben wurde. Das Konzept für die Konsole wurde von Julie Uhrman ins Leben gerufen und zusammen mit Yves Béhar 2012 auf Kickstarter vorgestellt. Julie Uhrman selbst ist eine bekannte Managerin, die zuvor u.a. bei Lionsgate Entertainment und IGN gearbeitet hatte. Béhar ist vor allem als Industriedesigner bekannt und war in Folge dessen für das Design der Konsole und des Controllers zuständig. Der verantwortliche Hardware-Entwickler des Geräts war Muffi Ghadiali, welcher zuvor die Produktentwicklung des Amazon Kindle leitete. In Sachen OUYA sprach sich das gesamte Team vor allem für eine Billigpreis-Strategie aus, welche dann auch in diversen Interviews vertreten wurde, z.B. Ghadiali in Bezug auf den Einsatz des umstrittenen Tegra 3 Chipsatzes. Ich erwähne dies, weil es im Verlauf des Projektes noch eine Rolle spielen wird.
Der Erfolg von OUYA auf Kickstarter
Als frisch gebackenes Unternehmen stellte OUYA Inc. bzw. Julie Uhrman am 10.07.2012 eine Kickstarter-Kampagne für eine Miniatur-Spielekonsole mit dem Spendenziel von 950.000 US-Dollar ein. Innerhalb weniger Stunden war dieses Spendenziel dann auch geknackt. Damit war aber noch nicht Schluß. Es ging weiter und nach fast 30 Tagen Laufzeit wurde die Finanzierungsphase mit insgesamt 8.596.474 US-Dollar abgeschlossen. Da OUYA damit einige Finanzierungsrekorde auf Kickstarter brach, stellte sich relativ schnell auch Medieninteresse ein.
Immer mehr Entwicklerstudios, Spiele-Publisher und Softwareunternehmen meldeten innerhalb weniger Monate Interesse an Kooperationen mit OUYA Inc. an. Schnell wurde der sogenannte OUYA-Store angekündigt, welcher zu der Zeit schon Ähnlichkeit zum Playstation Store aufwies. Nahmhafte Entwicklerstudios und Publisher wollten ihre Spielemarken, wie z.B. Final Fantasy (Teil 3), unbedingt auf die OUYA bringen. Mit diesen Erfolg hatte niemand so richtig gerechnet und OUYA Inc. schien am allerwenigsten mit dem Erfolg klarzukommen. Im Dezember 2012 sollten entsprechend der Kickstarter-Kampagne die ersten Auslieferungen der OUYA-Konsolen an die Backer erfolgen. Aber bereits hier kam es zu ersten Problemen. Viele Backer gingen leer aus und erhielten keine Konsole. Auf Kickstarter überschlugen sich die Negativkommentare und Stimmen wurden laut, dass OUYA Inc. die Konsolen für Exklusiv-Deals mit großen Marken bzw. für den globalen Produkt-Release zurückhält.
Der Anfang vom Ende der OUYA
OUYA Inc. hielt sich relativ bedeckt. Sie hofften wohl, dass die kritischen Stimmen mit den zunehmenden Auslieferungen der OUYA-Konsole weniger werden würden. Leider lagen sie komplett falsch, denn jetzt kamen noch technische Probleme dazu. Die versprochene Leistungsfähigkeit der Konsole war auf Basis des verbauten Tegra 3 Chipsatzes gar nicht erreichbar – hoch lebe die Billigpreis-Strategie. Mitgelieferte oder gekaufte Spiele liefen auf der Konsole nicht flüssig. Hinzukam, dass weder die exklusiven noch die lizenzierten OUYA-Titel wirklichen Spielspaß boten. Die ausgewählten Spiele waren einfach zu uninteressant. Als Krönung des ganzen galt der mitgelieferte OUYA-Controller, der mit hochwertigen Controllern nichts gemein hatte und durch seine schlechte Verarbeitungsqualität und den wackeligen OUYA-Tasten bestenfalls als Wegwerfartikel punkten konnte.
Es folgte genau das, was mit diesem Konzept vorprogrammiert war – ein Shitstorm. Die Kommentare der Backer auf Kickstarter überschlugen sich und waren niederschmetternd. OUYA Inc. hatte dem ganzen immer weniger entgegenzusetzen und versuchte noch das zu retten was zu retten war – leider mit wenig Erfolg. Die Verkaufszahlen der Konsole gingen im Jahr 2013 und 2014 auch wegen der kritischen Berichterstattung immer weiter zurück. Im Juni 2015 war es dann soweit. OUYA Inc. konnten aufgenommene Kredite nicht mehr decken und wurde durch die Softwaresparte von Razer Inc. übernommen. Kurz darauf wurde die Produktion der Konsole eingestellt. Die über 1200 Spiele im OUYA-Store wurden in Razers Cortex Game-Store integriert und den OUYA-Käufern über diesen Weg zur Verfügung gestellt.
Der OUYA-Support wird eingestellt
Nach einigen Jahre in denen es etwas ruhiger geworden war, folgte Ende Mai 2019 der nächste OUYA-Knaller. In diversen E-Mails verkündete Razer Inc. die Abschaltung des OUYA-Service für den 25. Juni 2019. Dies bedeutete für OUYA-Besitzer, dass die Konsole nur noch sehr eingeschränkt genutzt werden konnte. OUYA-Spiele wurden nicht mehr zum Kauf angeboten und auch bereits erworbene Spiele konnten nur gestartet werden, falls die oftmals eingebaute Online-Kaufverifizierung deaktiviert war.
Ein Lichtblick für die OUYA
Im November 2019 tauchten dann plötzlich ein paar Berichte über ein kleines Revival der Spielekonsole bzw. des OUYA-Stores auf. Im Rahmen eines „Fan-Projekts“ wurde eine sogenannte „replacement API für die OUYA-Konsole“ geschrieben und vorgestellt. Dabei handelt es sich um eine Ersatzsoftware für den ursprünglichen OUYA-Store, welche nun im neuen Gewand als Stouyapi-Store von dem Entwickler Christian Weiske auf Github bereitgestellt wird.
Der Stouyapi-Store war ein Schritt in die richtige Richtung jedoch konnten viele der alten Spiele aufgrund der bereits genannten Online-Kaufverifizierung zu der Zeit nur im Demo- / Trial-Mode gestartet werden. Dies war ein Problem was auch ein Großteil der Community beschäftigte. Aber auch hier lieferte der Stouyapi-Store schnell eine Lösung. Mit Hilfe einiger OUYA-Spieleentwickler stellte Christian Weiske einen Patch für seine Stouyapi-Store Software bereit, welcher OUYA-Besitzern nun auch das Spielen ihrer gekauften Spiele im normalen Spielmodus gestattet. Dies war ein Riesenfortschritt und sorgte für ein kleines Happy End in Sachen OUYA.
Was machen die beteiligten Personen heute?
OUYA Inc. konnte 2015 die aufgenommenen Kredite nicht mehr decken und wurde schließlich von Razer Inc. übernommen. Die Hintergründe des Deals blieben leider im Dunkeln und sind bis heute nicht bekannt. Julie Uhrman, ehemalige CEO von OUYA Inc. und Crowdfunding-Initiatorin, hat bis heute kein weiteres Crowdfunding-Projekt gestartet. Sie ging nach dem Ende von OUYA u.a. zu Playboy und wurde dort President of Media. Aktuell ist sie Präsidentin des Los Angeles Frauenfußballclubs Angel City FC. Yves Béhar, leitender Designer der Konsole und des Controllers, ist weiterhin als Industriedesigner tätig. Er war bis 2017 Chief Creative Officer des Technologieunternehmens Jawbone, was dann aber 2017 Insolvenz anmelden musste. Er arbeitet aktuell als Designer für verschiedenen Kunden, u.a. HermanMiller, Puma, General Electrics, Samsung, usw. Muffi Ghadiali, leitender Hardware-Entwickler der OUYA-Konsole, verließ bereits 2014 OUYA Inc. Er ist heute Manager bei Ford Pro Charging, der Electric-Car Sparte des US-Autobauers Ford und CEO der Technologie-Firma Electriphi, welche eine Control-Software für E-Car-Ladeprozesse vertreibt. Soweit wir wissen, war Ghadiali an keinem weiteren Crowdfunding-Projekt beteiligt.
Unser Fazit:
Das OUYA-Kickstarter-Projekt war eines der ersten Projekte, die mich für Crowdfunding begeistert haben. Gleichzeitig war ich nach dem Scheitern der Konsole riesig enttäuscht. Auch in den Jahren danach habe ich mich immer wieder mit den Hintergründen und den aufgetauchten News beschäftigt. Letzten Endes werden wir wohl nie erfahren, wann genau das Projekt den Bach runterging. Einige sehen die Gründe schon bei der fehlerhaften Konzeption als „Billig-Konsole“, andere bei Fehlentscheidungen zur Auswahl der Hardware- und Software-Komponenten und wieder andere bei der Profit-Gier der Gründer, die nach dem Erfolg der Kickstarter-Kampagne ganz große Brötchen backen wollten. Ich persönlich sehe das Problem in allen drei Ursachen. Nichtsdestotrotz war die Idee einer Android-Konsole keine schlechte. Auch heute gibt es immer noch Fans, die auf ein Revival der alten bzw. die Einführung einer komplett neuen „OUYA-Konsole“ hoffen. Deswegen freut es mich auch das Fans, wie z.B. Christian Weiske, und die OUYA-Community das Projekt noch nicht aufgeben haben.
Unsere Wertung:
Das hat uns gefallen:
OUYA-Konzept einer Open-Source Android-Konsole
OUYA-Community und Entwickler, die das Projekt nicht aufgeben
Das hat uns nicht gut gefallen:
unseriöses Projektmanagement, Billig-Konsolenkonzept mit unrealistischen Versprechungen
schlechtes Hardware-Konzept, minderwertige Verarbeitung des Controllers, Leistungsanforderungen nicht erfüllt
teils die zugesicherten Auslieferungen der OUYA an Backer nicht eingehalten
nach Abschalten des OUYA-Supports, OUYA-Kunden ohne Ersatzleistung allein gelassen